© News4u.ch 2020
Auf den Spuren von César Manrique quer durch Lanzarote
In Lanzarote die Ferien zu verbringen und nicht die Spuren des Künstler und Architekten César Manrique zu kreuzen
ist nahezu unmöglich. Doch sind nicht nur seine sichtbaren Kunstwerke gemeint, sondern auch sein für die beliebte
Ferieninsel wichtiges Konzept die Harmonie zwischen Natur und Kunst herzustellen.
Das Leben des Künstlers und Umweltschützers César Manrique
César Manrique erblickte am 24. April 1919 in Arrecife, der Hauptstadt von Lanzarote, das Licht der Welt. Nach Beendigung
seiner Schulzeit schloss César Manrique sich im Spanischen Bürgerkrieg den Truppen Francos an. Im Jahre 1939 kehrte er
nach Lanzarote zurück und begann ein Studium in San Cristóbal ehe er nach Madrid, um Malerei zu studieren, zog. Im Jahr
1964 zog es ihn nach New York, wo er einige der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler kennenlernte.
Vier Jahre später kehrte César Manrique auf seine Heimatinsel zurück. Zu jener Zeit wurde die Insel von den ersten Touristen
entdeckt. Zusammen mit seinem Jugendfreund Pepin Ramirez Cerdá, der inzwischen Präsident der Inselregierung war,
erarbeitete er ein künstlerisches Konzept, mit dem es gelang, die Insel vor weitgehend von grösseren Auswirkungen des
Tourismus-Booms zu bewahren. Die Harmonie zwischen Natur und Kunst war für ihn von wichtigster Bedeutung.
Diese Konzeption erkennt man auch an seinem Haus, das er am 2. Oktober 1968 in Tahiche erbaut hatte. Im Jahr 1982
gründete er die Fundación César Manrique. Im Jahr 1988 überliess er das Haus dieser Stiftung und zog nach Haría.
Am 25. September 1992 starb César Manrique bei einem Verkehrsunfall in unmittelbarer Nähe seiner Stiftung. Sein schlichtes
Grabmal befindet sich auf dem Friedhof in Haría. An vielen Stellen der Vulkaninsel kann man seine Werke sehen, oft sind es
Windspiele oder andere kinetische Objekte, die auf Verkehrskreiseln stehen. Nur ein einziges Hochhaus auf Lanzarote Ihm ist
es mit zu verdanken dass es auf der gesamten Insel trotz Massentourismus nur ein einziges Hochhaus gibt. Hochhäuser sind
ebenso verboten wie Reklametafeln in grellen Farben. Dafür findet man zahlreiche Häuser im traditionellen Stil, die in Form
und Farbe im Einklang zu ihrer natürlichen Umgebung passen. César Manrique verstand Kunst als enge harmonische
Verbindung zwischen Mensch und Natur. Die Assoziation Aschehaufen und Trümmerfeld, die viele Touristen mit der Kargheit
der Vulkaninsel Lanzarote verbinden, hatte César Manrique zeit seines Lebens missfallen. Er empfand seine Heimat als wilde
und lebendige Naturschönheit, die er zur touristischen Besonderheit umgestaltete. Dem Künstler gelangen mehrere
Touristenattraktionen für Lanzarote und benachbarter Inseln.
Harmonie von Natur und Kunst
Das Hauptmerkmal seiner architektonischen Kunst ist die Integration von Felsen, Stein und erstarrten Lavaströmen in einen
harmonischen Wohn- und Lebensraum. Er nutzte die unbearbeiteten Naturmaterialien häufig im Kontrast mit runden,
weichen, von Hand gestalteten Formen. Oft sind die Farben Schwarz und Grau (Lavagestein) und Weiss (Kalk und Lack) zu
finden. Die Atmosphäre dieser Kunsträume wird meistens mit sinnlicher, meditativer Musik untermalt. Ausserhalb der Räume
liess der Künstler auch auf Verkehrsinseln grosse Windspiele errichten, die vom Passatwind bewegt werden.
Seine Gemälde sowie seine architektonischen Werke greifen die Symbiose von Mensch und Natur auf und veranschaulichen
auf unterschiedlichste Weise die Naturschönheiten. So beliess er die Natur, wie sie war, und versuchte nur, ihre Schönheit
künstlerisch einzurahmen, um sie hervorzuheben, damit sich andere Menschen an ihr erfreuen.
César Manriques Stiftung
Das unter touristischem Aspekt bedeutendste Werk César Manriques ist wohl das Gebäude seiner Stiftung im Ort Tahiche,
das im Jahr 1968 erbaut wurde. Rein äusserlich erscheint das Gebäude, genannt Taro de Tahiche, mit seinen weissen Mauern
und grün gestrichenen Holzteilen wie ein ganz normales Wohnhaus. Im Jahr 1988 zog César Manrique von Tahiche nach Haría
und übereignete das Haus seiner 1982 gegründeten Stiftung. Nach einer Umgestaltung wurde das Haus 1992 als Sitz der
Stiftung eingeweiht.
Anlässlich des 50. Jubiläums der Grundsteinlegung seines Hauses in Tahiche lud die Fundación César Manrique die
Öffentlichkeit am Abend des 2. Oktober 2018 zu einem Rundgang durch das Anwesen. Die Besonderheit des Hauses ist das
Untergeschoss. Es besteht im Prinzip aus fünf Grotten, die bei den Vulkaneruptionen 1730 - 1736 durch Gasblasen in der Lava
entstanden sind. César Manrique liess diese Grotten durch Gänge verbinden. In den Hohlräumen entstanden so eine Sitzecke,
sein Atelier sowie ein riesiges Badezimmer. Die besondere Attraktion ist der bepflanzte Innenhof mit Schwimmbecken.
Sicherlich hätte sich mancher Gast eine Abkühlung im künstlerisch gestalteten Pool gegönnt. Die Wohnräume im
Obergeschoss werden als Museum genutzt, ausgestellt werden Zeichnungen und Gemälde des Künstlers, aber auch seine
private Gemäldesammlung. Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte im Bereich Kunst, Umwelt und Natur zu
fördern. Die Stiftung ist jeweils von Juli bis Oktober von 10.00 bis 19.00 Uhr und im November bis Juni von 10.00 bis 18.00 Uhr
geöffnet. Am Sonntag ist die Fundación César Manrique jedoch nur bis 15.00 Uhr zu besichtigen. Kunst- und Kulturstätte
Jameos del Agua Ein Jameo ist eine vulkanische Höhle, deren Decke eingestürzt ist. Solche Höhlen gibt es in vielen als Malpaís
bezeichneten Lavafeldern. Die Jameos del Agua befinden zwischen den Ortschaften Arieta und Órzola. Jameos del Agua ist der
Ort auf dem Planeten, an dem Natur und Mensch sich vereint haben. Denn César Manrique besass die Vorstellungskraft und
das Geschick, um den Schutt des halb eingestürzten Daches der Vulkanröhre, durch den die Lava des Vulkans La Corona im
Norden der Insel floss, in einen weltweit einzigartigen Ort zu verwandeln. Mit seiner Vision und seinen lebhaften Händen
schuf er aus dem rauen schwarzen Basaltgestein einen Ort der Harmonie, der Schönheit, des Friedens und der Ruhe. Weiss,
Azurblau, Grün und Schwarz, die Farben, die Manrique seiner Insel schenkte, vermischen sich auf einem einzigartigen Pfad
von aussergewöhnlicher Schönheit, der Träume und Fantasie erwachen lässt. In jedem Winkel, vom bepflanzten Eingang, der
in dem Grün grosser Farngewächse erstrahlt, in denen Singvögel ihr Lied anstimmen, bis zu dem originellen Konzertsaal, der
aufgrund seiner geologischen und akustischen Eigenschaften weltweit einzigartig ist, ist jedes Detail von Jameos del Agua eine
unablässige Einladung zur Innenschau, zum Nachsinnen und zum Träumen. Die Albinokrebse (Munidopsis Polimorpha), eine
auf der Insel endemische Art, die immer von den Gezeiten mitgetragen werden, das türkisblaue Schwimmbecken, und der
Túnel de la Atlántida, der sich im Azurblau des Atlantiks verliert – eine weltweit einzigartige Tierart – würden an der
Rostbildung von Metallen leiden. Jameos del Agua ist das erste Zentrum für Kunst, Kultur und Tourismus, das César Manrique
geschaffen hat, und für viele ist es der Inbegriff seines ästhetischen Ideals: der Harmonie zwischen der Natur und dem
künstlerischen Schaffen.
Kakteengarten Jardín de Cactus
Es war die letzte grosse Intervention von César Manrique auf Lanzarote. Die Augen des kanarischen Künstlers sahen mehr als
die heruntergekommene alte rofera, wie auf Lanzarote die Steinbrüche heissen, in denen Zuschlagstoffe abgebaut werden.
Und so erschuf er hier einen ganz besonderen Ort für Kakteen aus allen Teilen der Welt. Umgeben von der grössten
Kaktusplantage der Insel, auf der Cochinelle gewonnen wurde, ein Produkt, das für Lanzarote im 19. Jahrhundert von grosser
wirtschaftlicher Bedeutung war, versammelt der Jardín de Cactus hier 4500 Exemplare von 450 verschiedenen Arten aus 13
Gattungen von fünf Kontinenten. Im Kontrast des Grüns der Pflanzen mit dem Blau des Himmels und dem Schwarz des
Vulkans entsteht eine harmonische Explosion der Farben, die Besucher in ihren Bann zieht. Das Zwitschern der Singvögel und
das unermüdliche Summen der Insekten, die hier das Leben in ihrer eigenen Oase geniessen, sind die einzigen Klänge, die in
der friedvollen Stille dieses Ortes ertönen. Hohe Monolithen aus Vulkanasche, Spuren, die die Erinnerung an das, was der Ort
einst war, weiterleben lassen, wetteifern mit Kakteen aus Amerika, Afrika und Ozeanien. Oben, auf einem kleinen Hügel, steht
am Horizont eine der letzten Maismühlen der Insel, hier wurde der Mais für das traditionelle kanarische Getreidegericht Gofio
gemahlen, das seine Ursprünge im 19. Jahrhundert hat.
Aussichtspunkt Mirador del RíoIn einer Höhe von 400 Metern auf dem Risco de Famara ist der Mirador del Río eine der
repräsentativsten architektonischen Kreationen von César Manrique, denn er sprüht vor künstlerischen und
architektonischen Details und vor seiner Begeisterung, die Kunst und die Natur zu vereinen. Mit seiner Lage in der Nähe einer
alten Militärbasis aus dem ausklingenden 19. Jahrhundert und inmitten der Felsen so meisterlich getarnt, wie es nur einem
Genie wie Manrique gelingen konnte, überragt El Mirador die Meerenge El Río, die Lanzarote von La Graciosa trennt. Trotz
seines unscheinbaren Äusseren überrascht das Innere des Gebäudes mit seinen sorgfältig gestalteten Details, seinen
beeindruckenden Glasfenstern, den Augen des Mirador, die der Künstler so geformt hat, dass sie den Panoramaeffekt noch
verstärken, und mit den monumentalen und originellen Skulpturen, die von der Decke hängen und die Schwerkraft zu
überlisten scheinen. Vom Aussichtspunkt aus können Besucher die achte der Kanarischen Inseln, La Graciosa, betrachten,
sowie alle anderen kleinen Inseln, die zum Naturpark des Chinijo-Archipels gehören, während zu ihren Füssen, unten am
Risco-Kliff, die rötlichen Salzwerke von Río leuchten, die auch als Guza bekannt sind, die ältesten Salzwerkes der kanarischen
Inselgruppe. Die Erschliessung des Mirador, die in Zusammenarbeit mit dem Architekten Eduardo Cáceres und dem Künstler
Jesús Soto erfolgte, ist ein Glanzbeispiel für hervorragende technische Planung mit begrenzten Mitteln. Zuerst wurde die
Fläche ausgehoben, im Anschluss das Gebäude errichtet und mit Vulkangestein beschichtet.
Nationalpark Montañas del Fuego – TimanfayaIm Nationalpark Montañas del Fuego können Sie auf dem Mond spazieren
gehen, ohne die Erde zu verlassen. Aus den fulminanten Vulkanausbrüchen, die den Süden Lanzarotes von 1730 bis 1736
heimsuchten, entstanden der Nationalpark Timanfaya und die Montañas del Fuego, mit ihrer kargen Schönheit und einem
Farbenspiel aus Ockertönen, ein mitreissender Anblick für Besucher. Doch die Berge erscheinen nahezu klein verglichen mit
dem imposanten und lebendigen Kunstwerk, das Manrique hier wieder in seinem ureigenen, harmonischen Zusammenspiel
aus Mensch und Natur geschaffen hat. Aus der Tiefe der Erde erhebt sich majestätisch der Islote del Hilario, umgeben von
einem 200 Quadratkilometer grossen Lavameer, das von 25 ruhenden Kratern durchzogen ist. Hier liess Manrique seine
rastlosen Gedanken schweifen und hatte eine geniale Idee, um das Ödland zum Leben zu erwecken: das Restaurant El Diablo.
Aus dieser aussergewöhnlichen Verschmelzung aus menschlicher Schöpfung und Natur entstand eines der zweifellos
beeindruckendsten Kunstwerke der Welt. Während der Ofen im El Diablo die natürliche Hitze des Steins zur Zubereitung
einzigartiger Gerichte nutzt, kocht direkt unter unseren Füssen, in einer Tiefe von zehn Metern, die Erde bei einer Temperatur
von fast 300 Grad. Eine extreme Hitze, die an die Oberfläche dringt, Besucher erstaunen lässt und ihnen immer im Gedächtnis
bleiben wird. Dank der Vermischung von Natur und Kunst in den Las Montañas del Fuego können Besucher in
Sonderfahrzeugen die Vulkanroute entlang fahren und so ein einzigartiges Erlebnis inmitten der Naturwunder dieser
einzigartigen Mondlandschaft geniessen.
Weitere Werke von César Manrique sind unter anderem: Die Cueva de los Verdes, Monumento del Campesino, Casa Museo
del Campesino (Bauernhaus in typisch lanzarotenischer Architektur) , LagOmar (in vulkanischem Steinbruch eingebettetes
Anwesen, gemeinsam gestaltet mit Jesús Soto), Juguetes del viento (1992, Windspiel in der Mitte eines Kreisverkehres in
Arrieta) sowie die Garten und Schwimmbadanlage des 5-Sterne-Hotels Las Salinas in Costa Teguise.
Bericht Christina Uebelhart
Fotos Matthias Uebelhart